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Leutesheim in den letzten 100 Jahren
 
∙ Aus dem Vereinswesen

Ein Auszug aus dem Buch "Leutesheim - ein Dorf im Hanauerland und seine Kirche"

von H. Schäfer, U. Schüz u. a., 1990

Der erste Verein, der sich der Körperertüchtigung und den Freizeitsport widmete, war der Radsportverein, auch „Bratwurstverein“ genannt. Mit bescheidenen Mitteln bot der Verein der Jugend sinnvollen Zeitvertreib. Natürlich war die Gesellschaft groß geschrieben. David Hummel erzählt von einem Fest, bei dem “s’ Haage Michel mit dem Fritz auf 50 Kartoffeln gewettet“ habe. Der Herausforderer gewann die Wette, er bewältigte 52 Kartoffeln. „Aber es war schauerhaft“, erinnert sich David Hummel.

Der Vorstand, „Hafteschang“, ein mit Orden und Ehrenzeichen hochdekorierter Mann (man riet ihm, seine Orden besser zu verteilen, damit er nicht “einseitig“ werde), bereitete sich in gewohnter Sorgfalt auf ein Jubiläum vor (vermutlich 1936 „ins Adlerwirts Garten“). wohl eine Woche lang saß er jeden Abend auf einer Weide im Gritt, hinter dem Rheindamm, seine Ansprache laut memorierend.

Die Montur der Radsportler machte Eindruck: Grüngrauer Frack, Hosen und Ledergamaschen. Die Schildmütze galt als das Markenzeichen des Vereins, der nach den Krieg nicht mehr auferstand. Auch eine Holzbrücke über den Wörthhamm, in Erinnerung an den ersten Vorstand „Johann-Albert-Brücke“ genannt, existiert nicht mehr.

Zunächst dachte noch niemand an einen Verein, als einige Jugendliche beim Milchhäusle ein paar Pfähle in den Boden rammten und zu kicken begannen. Manche Leute hielten die ersten Fußballspieler für verrückt. Aus diesen Anfängen entstand hier 1921 der Sportverein, aus dem Vereinswesen heute keineswegs mehr wegzudenken.

Karl Thorwarth berichtet dazu folgende kleine Episode:
Die Geldmittel für den neu gegründeten Sportverein waren am Anfang natürlich recht knapp. Es reichte gerade für einen Ball für die 1. Mannschaft. Die ganze Jugend ging ans „Ähren suchen“ (Sammeln von zurückgebliebenen Ähren auf den abgeernteten Feldern) und brachte so viel zusammen, dass mit dem Erlös ein Fußball für die Jugendmannschaft gekauft werden konnte.

Der Radfahrverein auf einem Fest in Freistett (um 1906)


Die 1. Mannschaft des FV Leutesheim (1921)
 

Der Männergesangverein und Gemischter Chor beim 100jährigen Vereinsjubiläum 1962

Über den Gesangverein, wie auch den Musikverein geben gelungene Festschriften Auskunft. Im April 1862 wurde der Männergesangverein „Sängerbund“ gegründet. Lehrer Klons leitete den zunächst bescheidenen Chor, der dennoch schon ein Jahr später in Rheinbischofsheim auftrat. Wichtiges Ereignis ist die Fahnenweihe in der spärlich überlieferten Geschichte des Chores. Fast 30 Jahre lang leitet Lehrer Hopp die nunmehr 35 aktiven Sänger, ihm folgen die Lehrer Kiechle, Holzschuh und Bruckner. Hauptlehrer Scholl führt den Chor bis 1933, nun übernimmt Wilhelm Britz die Leitung. Im Zweiten Weltkrieg ruht die Arbeit, 1947 nimmt Wilhelm Britz sie wieder auf (er wird später zum Ehrendirigent ernannt), um sie 1956 an Wilhelm Schmitt abzugeben. Es folgen Franz Fehrenbach, Vitus Böhler, Oliver Helbig, Nelly Martens, Kirsten Bormann und Nelli Weinberger.

Die merkwürdigen Wege der ersten Vereinsfahne sollen hier kurz mitgeteilt werden. Die Fahne von 1865 fiel Besatzungssoldaten in die Hände, die das Mittelstück mit dem Wappen herausschnitten und mitnahmen. Lange blieb das Schicksal der Fahne im Dunkeln. 1972 entdeckte der Geschäftsmann E. Beck aus Mülhausen (Elsass) die Reste der Fahne auf einem Basar in Oran in Algerien. Sie wurde dort für 1.000 Franc (298 DM, 152 Euro) zum Kauf angeboten. Herr Beck erkannte, dass es sich um eine deutsche Vereinsfahne und nicht um eine Militärfahne handelte, und konnte sie für 300 Franc (89 DM, 46 Euro) erwerben. Zuhause machte er sich daran, Leutesheim zu finden. Ein Monteur aus Offenburg gab ihm den Tipp. Für 300 Mark (ein Sachverständiger schätzte ihren Wert auf das Zehnfache) kam die Fahne wieder in den Besitz des Chores, wo sie seither einen Ehrenplatz hat.

Der Musikverein, im Juni 1924 offiziell gegründet, hat seine Wurzeln in der Liebe zu Musik einiger Männer schon vor dem Ersten Weltkrieg. Sie spielten zum Tanz und kamen dabei auch in die Nachbarorte. Das Gründungsdatum vereinigt bereits 26 aktive und 130 fördernde Mitglieder. Auch hier unterbricht der Krieg die Entwicklung, im Januar 1948 ist die Neugründung. Die Zusammenarbeit mit dem Gesangverein, dem Sportverein und dem Musikverein Linx wird hervorgehoben. Dirigenten sind Karl Zimmer, Lehrer Kurt Grimmig (1950-1969, später Ehrendirigent), Franz und Jörg Heymann und seit 1976 Dieter Baran. Die Kapelle ist längst über die Grenzen unseres Ortes und der Stadt Kehl hinaus bekannt. Die heute rund 70 Instrumentalisten haben durch konsequente und gediegene Schulung ein überdurchschnittliches Können erreicht, die Konzerte des Vereines haben einen guten Ruf.

Der Musikverein 1927

Als nach dem Krieg 1870/71 überall Militärvereine entstanden, fand sich auch hier ein Kreis Interessierter. Der Militärverein war damals sogar der größte Ortsverein, was nicht viel bedeutete, denn die anderen Vereine hatten nur beschiedene Mitgliederzahlen zu dieser Zeit. Auf den Altrheinmatten gab es regelmäßige Schießübungen und große Vereinsfeste. Bei besonderen Anlässen, vor allem bei Kaisers Geburtstag, aber auch bei den Geburtstagen der Großherzöge und bei anderen Gedenktagen marschierte der Verein auf, geschmückt mit allen Orden, und man schoss Salut. Geschossen wurde aus aufgebohrten Wellenstümpfen, Katzenköpfe genannt.

Vereinsvorstände waren David Thorwart bis 1914, dann bis 1939 Michael Keck (Gemeinderechner). Der Verein hielt viel auf sich und gehörte dem Kyffhäuser-Bund an. Er besaß eine prächtige Vereinsfahne, die 1945 ein unrühmliches Ende fand: Sie wurde beim Einmarsch der Franzosen im Backofen des Vorstandes verbrannt. Damit endet auch die Geschichte des Vereins, dessen zeit vorüber war.

Erwähnt seien auch das Deutsche Rote Kreuz, das die Seniorenarbeit groß geschrieben hat, die Freiwillige Feuerwehr, der Sportschützenverein, der Angelsportverein und der Landfrauenverein. Der Frauenchor wirkt bei den Gottesdiensten an Festtagen, vor allem aber bei den Bestattungen mit. Der Frauenkreis und die Offene Jugendarbeit, der Jugendtreff, sind Einrichtungen der Kirchengemeinde.



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Aktives Dorf Leutesheim, April 2009