Leutesheim in den
letzten 100 Jahren
∙ Eine Seuche im Dorf
Ein Auszug aus dem
Buch "Leutesheim - ein Dorf im Hanauerland und seine Kirche"
von H. Schäfer, U.
Schüz u. a., 1990
Zu
den besonders schmerzlichen Jahren gehört 1921, ein sehr
trockenes und heißes Jahr. Der letzte Regen fiel im Mai, danach
begann eine Trockenperiode mit großer Hitze. Der Rhein führte
nur noch wenig Wasser, man konnte ihn fas zu Fuß überqueren.
Wohl durch verschmutztes Bachwasser wurde die Ruhr übertragen,
die sich im „Veddereck“ stark ausbreitete. Schule und
Kindergarten waren wegen akuter Ansteckungsgefahr fast drei
Monate geschlossen. Die Kranken lagen im Freien, wer irgend
konnte, schickte Kinder und Angehörige weg. Medikamente gab es
kaum; manche Familie verlor bis auf eine Person alle
Angehörigen; „ins Philippe“ starben vier Personen.
Lehrer Zipf nahm sich in rührender Weise der Kranken an,
besuchte sie, so oft er konnte, und brachte Schokolade und
„schwarze Tabletten“ mit. Mehrere Dorfbewohner, vor allem
Bahnbeamte, durften vorübergehend nicht im Dorf wohnen.
Hart traf die Epidemie die Kinder; unter den 29 Opfern waren 17
Kleinkinder und Schulkinder. Die Zahl der Beerdigungen betrug im
Jahr 1921 das zwei bis dreifache des Üblichen; zuletzt fanden
sich auch keine Läutebuben mehr zu den Bestattungen. Pfarrer
Bauer hat bei den 42 Todesfällen dieses Jahres die Todesursache
im Sterberegister vermerkt. Eine Notiz sagt auch: „von jetzt an
werden bei Kinderbeerdigungen Ansprachen gehalten.“
Maul- und Klauenseuche 1937
Es begann wie ein kleines Feuer, das immer mehr um sich fraß,
trotz aller Gegenmaßnahmen und Verbote.
In jedem Haus (Stallung), wo die Klauenseuche ausbrach, durfte
keine Person das Anwesen verlassen oder betreten, ja selbst
Hofeingänge wurden z. T. mit Stacheldraht eingezäumt. An diesem
Zaun hat man ein Verbotsschild befestigt, zusätzlich wurden
Kisten mit Chlorkalk und Sägemehl aufgestellt, um eine weitere
Übertragung zu verhindern.
Bei den ersten Anzeichen an den Tieren musste es sofort auf dem
Rathaus gemeldet werden. Das Haus wurde sofort unter Quarantäne
gestellt. Dies dauerte in der Regel ca. 2-3 Wochen. Danach kamen
zwei Gemeindearbeiter mit Handspritzen, um die Stallungen zu
desinfizieren.
Am schlimmsten betroffen war der Farrenstall. Sämtliche Tiere
mussten geschlachtet werden, auch ein Pferd litt unter der
grausamen Maulseuche.
Nachbarn, Bekannte und Verwandte der betroffenen Landwirte
versorgten die Tiere mit Futter.
Sämtliche Ortseingänge waren mit Wachtposten besetzt, dies waren
David Ross („Sängervitt“), Bene-Michel und David Keck
(„Keck-Schevitt“).
Personen der Nachbargemeinden, die den Ort durchfahren wollten,
brauchten eine Sondergenehmigung.
Angehörige der betroffenen Tierhalter zogen z. T. in der Zeit
der Quarantäne zu Verwandten und Bekannten.
Trotz aller Verbote und Absperrungen wurde die Nacht von jungen
Leuten und Verliebten genutzt, um sich zu treffen. Auch manches
Geschäft wurde abgewickelt – trotz Verbot!
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