.



 

 
 
  Sie sind hier:   » Startseite » Archiv » 2009 »
 

 

 
Leutesheim in den letzten 100 Jahren
 
∙ Eine Seuche im Dorf

Ein Auszug aus dem Buch "Leutesheim - ein Dorf im Hanauerland und seine Kirche"

von H. Schäfer, U. Schüz u. a., 1990

Zu den besonders schmerzlichen Jahren gehört 1921, ein sehr trockenes und heißes Jahr. Der letzte Regen fiel im Mai, danach begann eine Trockenperiode mit großer Hitze. Der Rhein führte nur noch wenig Wasser, man konnte ihn fas zu Fuß überqueren.

Wohl durch verschmutztes Bachwasser wurde die Ruhr übertragen, die sich im „Veddereck“ stark ausbreitete. Schule und Kindergarten waren wegen akuter Ansteckungsgefahr fast drei Monate geschlossen. Die Kranken lagen im Freien, wer irgend konnte, schickte Kinder und Angehörige weg. Medikamente gab es kaum; manche Familie verlor bis auf eine Person alle Angehörigen; „ins Philippe“ starben vier Personen.

Lehrer Zipf nahm sich in rührender Weise der Kranken an, besuchte sie, so oft er konnte, und brachte Schokolade und „schwarze Tabletten“ mit. Mehrere Dorfbewohner, vor allem Bahnbeamte, durften vorübergehend nicht im Dorf wohnen.

Hart traf die Epidemie die Kinder; unter den 29 Opfern waren 17 Kleinkinder und Schulkinder. Die Zahl der Beerdigungen betrug im Jahr 1921 das zwei bis dreifache des Üblichen; zuletzt fanden sich auch keine Läutebuben mehr zu den Bestattungen. Pfarrer Bauer hat bei den 42 Todesfällen dieses Jahres die Todesursache im Sterberegister vermerkt. Eine Notiz sagt auch: „von jetzt an werden bei Kinderbeerdigungen Ansprachen gehalten.“


Maul- und Klauenseuche 1937

Es begann wie ein kleines Feuer, das immer mehr um sich fraß, trotz aller Gegenmaßnahmen und Verbote.

In jedem Haus (Stallung), wo die Klauenseuche ausbrach, durfte keine Person das Anwesen verlassen oder betreten, ja selbst Hofeingänge wurden z. T. mit Stacheldraht eingezäumt. An diesem Zaun hat man ein Verbotsschild befestigt, zusätzlich wurden Kisten mit Chlorkalk und Sägemehl aufgestellt, um eine weitere Übertragung zu verhindern.

Bei den ersten Anzeichen an den Tieren musste es sofort auf dem Rathaus gemeldet werden. Das Haus wurde sofort unter Quarantäne gestellt. Dies dauerte in der Regel ca. 2-3 Wochen. Danach kamen zwei Gemeindearbeiter mit Handspritzen, um die Stallungen zu desinfizieren.

Am schlimmsten betroffen war der Farrenstall. Sämtliche Tiere mussten geschlachtet werden, auch ein Pferd litt unter der grausamen Maulseuche.

Nachbarn, Bekannte und Verwandte der betroffenen Landwirte versorgten die Tiere mit Futter.

Sämtliche Ortseingänge waren mit Wachtposten besetzt, dies waren David Ross („Sängervitt“), Bene-Michel und David Keck („Keck-Schevitt“).

Personen der Nachbargemeinden, die den Ort durchfahren wollten, brauchten eine Sondergenehmigung.

Angehörige der betroffenen Tierhalter zogen z. T. in der Zeit der Quarantäne zu Verwandten und Bekannten.

Trotz aller Verbote und Absperrungen wurde die Nacht von jungen Leuten und Verliebten genutzt, um sich zu treffen. Auch manches Geschäft wurde abgewickelt – trotz Verbot!



zurück | drucken


Aktives Dorf Leutesheim, Juli 2009