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Leutesheim in den letzten 100 Jahren
 
∙ Die Landwirtschaft

Ein Auszug aus dem Buch "Leutesheim - ein Dorf im Hanauerland und seine Kirche"

von H. Schäfer, U. Schüz u. a., 1990

Leutesheim als ländliches Dorf wurde durch alle Jahrhunderte von der Landwirtschaft geprägt. Jeder hatte mit der Landwirtschaft zu tun. Die Bedingungen dafür waren nicht besonders gut. Die vielen Überschwemmungen brachten immer wieder große Ernteausfälle, was nicht selten zu Hungersnöten führte. Auch die Böden haben nicht die Qualität wie in den Dörfern auf der Niederterrasse.

Viele alte Dialektworte aus dem bäuerlichen Leben sind heute der Jugend kaum noch bekannt und werden bald ganz verloren gehen.

In Leutesheim sind denoch zwei landwirtschaftliche Vollbetriebe übriggeblieben, alles andere wird im Nebenerwerb umgetrieben.

Früher hatte bei uns ein “richtiger“ Bauer ein Pferd, drei Kühe mit Nachzucht, Schweine und Kleinvieh. Die Kleinbauern hatten 1 bis 2 Kühe und keine Pferde. Sie waren noch Handwerker oder Fischer oder gingen „ins Schaffe“ nach Straßburg und später nach Kehl. Auch jeder Wirt war noch Bauer. Es gab auch arme Leute ohne eigenes Feld (durch fortgesetzte Realteilung arm geworden), die von Ziegen und den Allmendäckern lebten, Taglöhner bei größeren Bauern waren oder nach Kehl zur Arbeit gingen.

Die Tiere hielt man, im Gegensatz zu früheren Jahrhunderten, im Stall. Auch die Kühe mussten den Wagen ziehen, wurden zum Pflügen und Eggen eingespannt und sollten auch noch Milch geben. Es ist verständlich, dass es an arbeitsreichen Tagen mit dem Milchertrag nicht weit her war. Kleinbauern mit nur einer Kuh haben bei schweren Arbeiten mit den Nachbarn „zusammengespannt“.

„Drejer Hans“ beim Mistlach fahren


Beim Heu einfahren
 

Gockels Käthrin mit ihrem Fuhrwerk (1933)


s’ Küferhanse Karl


„Kecke Vide Fritz“ beim Klee holen mit dem „Bennewägle“

Die letzten Fahrkühe sah man in Leutesheim in den 60er Jahren, heute gibt es noch eine Milchkuh im Dorf („Basch Kathrine“).

Ausdrücke wie „Kummet“ und „Kripf“ sind heute schon noch bekannt, aber viele kennen die alten Namen „Landwitt“ (erhöhter hinterer Teil des Stalles), „Sielen“ (Zuggeschirr des Pferdes), „Einspännel“ (Einspannvorrichtung für ein Zugtier), „Sielwuj“ (Einspannvorrichtung für zwei Zugtiere), „Dissel“ (Deichsel), „Leitsel“ (Leitseil-Zügel), „Gäschtel“ (Peitsche) nicht mehr.

Ein ordentliches „Fuhrwerk“ war für den Bauern die nötige Grundausrüstung. Jeder Bauer hatte einen sogenannten „Leiterwagen“, vom Dorfwagner hergestellt (die größeren Bauern hatten zwei), den man zum „Dielenwagen“ umbauen konnte. Ein kleineres Modell war das sogenannte „Bennewägele“ mit Weidengeflechtaufsatz für kleinere Transporte, wie z. B. zum Futterholen. Alle Wagen hatten natürlich eisenbeschlagene Speichenräder.

Beim Stallmisten verwendete man noch den „Schubkarch“ und zum Futter holen auch den größeren „Schaltkarch“ (einrädrige Handwagen). Im Gegensatz zur technischen Vielfalt heutiger Geräte kam man früher in der Landwirtschaft mit wenigen Geräten aus. Das wichtigste Gerät war der Pflug. Er war aus Holz, nur Beschläge, die Pflugschar und die sogenannte „Säch“ (Schneideisen zum Furchenziehen) waren aus Eisen. Befestigt war der Pflug auf dem „Pflugkärchel“. Die Eggen waren im 19. Jahrhundert z. T. noch ganz aus Holz, später Holzrahmen mit Eisenzähnen.

Gebräuchliche Handgeräte waren Sense, Hacke, „Gräef“ (Gabel), Heugabel (aus Holz), Disteleisen, „Ritthau“ (Hacke für schwere Arbeiten), „Mattax“ (für Wassergräben anlegen) und natürlich Spaten und Schaufel.

Kartoffeln werden gesetzt


Mit Sense und "Schaltkarch"

Die wichtigste Bauernarbeit war das Pflügen. Mit dem Pferd ging das ja leicht, aber mit zwei Kühen war das keine einfache Sache. Es gehörte viel Geschick dazu, mit einem Kuhgespann gerade Furchen zu ziehen.

Nach dem Pflügen wurde der grobschollige Acker mit der Egge geglättet.

Das Hacken war eine mühsame Arbeit, besonders die Frauen mussten das machen. Rüben und Kartoffeln wurden gehackt und gejätet, je nach dem Witterungsverlauf auch mehrmals. Auch den Getreideäckern ging man dem Unkraut mit dem Disteleisen zu Leibe. Chemische Mittel verwendete man ja noch nicht, Kornblumen und Klatschmohn bestimmten noch das Bild der Getreidefelder.

Bei der Weizenernte


Bei der Weizenernte

Eine schwere Arbeit für die Männer war das Mähen mit der Sense. Zur Zeit des Heuschnitts ging man noch vor dem Sonnenaufgang hinaus auf die Wiesen, damit der Tau auf dem Gras den Schnitt erleichterte. „Sensewurb“ nannte man den Holzteil, „Kumpf“ den wassergefüllten Behälter für den „Schliffstän“ (Schliffstein), den man am Gürtel trug. „Gedängelt“ (scharf gemacht) wurde die Sense auf dem „Dängelstein“. Das Getreide wurde noch bis nach der Jahrhundertwende mit der Sichel geschnitten, später auch mit der Sense. Der Sense war dazu mit einem sogenannten „Sensenbogen“ versehen, damit die Halme sich schön zusammen schoben.

Bei der Weizenernte

Gedroschen wurde bis über die Jahrhundertwende nur mit dem Dreschflegel, den ganzen Winter über zu Hause in der Scheuer. Ab dem Jahre 1910 stand in der Leutesheimer Mühle die erste Dreschmaschine. In der Anfangszeit ließen nur die größeren Bauern, z. T. auch aus Bodersweier und Auenheim, dort ihre Garben dreschen (Bezahlung: 4 Garben von Hundert).

Die Leutesheimer Kleinbauern droschen noch bis in die 20er Jahre ihr Getreide mit dem Dreschflegel. Im Dorf kamen später noch zwei Dreschmaschine hinzu. Der „Becke Jockel“ hatte eine mobile Maschine, mit der er zu den Bauern ins Haus kam. Die dritte Dreschmaschine gehörte dem „Bureverein“ und stand im Dreschkopf beim Farrenstall (heute Genossenschaft). Es wird erzählt, dass von dieser Maschine im Dreschkopf nach Reparatur und Wieder Zusammenbau im letzten Krieg ein Korb voll Schrauben und andere Teile übrig waren. Sie waren natürlich nie mehr in Gang zu bringen.

Das „Dreschessen“ war der festliche Abschluss der Drescharbeit, die traditionelle „Bollesupp“ gehörte natürlich dazu.

Am Sonntagmorgen mit dem „Kälbel“ unterwegs.

Die Erntezeit war die hohe Zeit des Bauern, es war der Lohn für die Mühen des ganzen Jahres. Heu-, Getreide- und Kartoffelernte waren die Haupterntezeiten. Die Schulferien im Dorf waren darauf abgestimmt, die Kinder wurden ja als Arbeitskräfte gebraucht.

Das Hauptfest im Jahr und der große Bauernfeiertag war der „Ärndanz“, (Erntetanz) nach Abschluss der Getreideernte im August.

Der Wechsel der Jahreszeiten und der Rhythmus der Vegetation bestimmten weitgehend das Leben im Dorf.

Die Arbeit ist getan - der wohlverdiente "Feierabend".



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Aktives Dorf Leutesheim, Mai 2009